Brauchen wir ein Recht auf Homeoffice?
Homeoffice mobiles Arbeiten und was die Debatte mit unserer Führungskultur zu tun hat
In der aktuellen Debatte wird viel von „Homeoffice“ gesprochen. Finden Sie den Begriff in diesem Zusammenhang passend?
Unter Homeoffice kann sich jeder etwas vorstellen. Der Ausdruck ist griffig und deswegen gerade auch in aller Munde. Ich finde es allerdings schwierig, dass dadurch die Grenze zur Telearbeit, die ja gesetzlich ganz klar geregelt ist, verschwimmt. Die Bezeichnungen „mobiles Arbeiten“, „flexibles Arbeiten“ oder „örtlich flexibles Arbeiten“ finde ich viel passender, weil sie das Prinzip umschließen, dass Arbeit überall dort stattfinden kann, wo es in dem Moment passt. Für mich ist eine vierstündige Bahnfahrt Arbeitszeit, die ich fest einplane. Ich überlege mir vorher, wofür ich sie nutzen werde. Trotzdem sind die passenderen Begrifflichkeiten sehr sperrig. Das ist wohl der Grund, wieso wir nach wie vor von Homeoffice sprechen.
Sie haben gerade den Ausdruck „Telearbeit“ erwähnt. Was ist darunter zu verstehen?
Telearbeit ist ein feststehender rechtlicher Begriff. Es bedeutet, dass ein fester Arbeitsplatz im häuslichen Bereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingerichtet wird. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verlagern dadurch alle Pflichten rund um den Arbeitsplatz, die sie sonst im Büro haben, in die Wohnungen der Mitarbeitenden: Ergonomie, Arbeitsschutzgesetze, Versicherung, Datenschutz. Die Angestellten wiederum müssen zustimmen, dass eine Begehung durch die Berufsgenossenschaft oder die Arbeitssicherheit des Unternehmens stattfindet. Die berufliche Sphäre verlängert sich wie ein kleiner Appendix in die Privatsphäre hinein.
Ist es nicht absurd, dass so streng reguliert ist, wie ein Arbeitsplatz auszusehen hat, obwohl wir wissen, wir unterschiedlich Menschen sind?
Natürlich ist das absurd. Diese Regelungen stammen eben noch aus der Zeit der Industrialisierung, als man Menschen vor Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen schützen wollte.
Das Büro der Zukunft ist ein Ort der Identität
Das gesetzliche Korsett ist an dieser Stelle nicht nur zu eng, es geht auch an der Realität vorbei: Das Büro wird als eine Ansammlung von Schreibtischen gedacht. Und diese haben 160 x 80 cm groß zu sein und einen halben Meter von der Fassade entfernt vertikal ausgerichtet zu stehen. Aber Arbeit findet nicht nur an einem ergonomischen Schreibtisch statt, sondern an jedem Ort, der denkbar ist und gut tut.
Dass wir heute Arbeitsplätze ganz anders denken, uns entfernen von zugeordneten Arbeitsplätzen und -räumen und unsere Büroplanung danach ausrichten, welche Tätigkeiten es gibt und wo diese stattfinden, die Idee gibt es in der Arbeitsstättenrichtlinie gar nicht und muss dringend reformiert werden.
An sich ist ein Recht auf Homeoffice eine sehr gute Idee, aber in der Praxis sehe ich einige Tücken: Wie soll nachvollziehbar begründet werden, dass Menschen mit Büroarbeitsplätzen zwar in der Regel von zu Hause arbeiten können, eine Empfangskraft aber nicht?
Büros müssen in Zukunft Zusammenarbeit fördern
Diese zusätzliche Bürokratie erschwert die Debatte eher. Außerdem führt sie vom Kern der Sache weg: Homeoffice sollte nicht mit Rechtfertigung verbunden sein. Sonst können wir uns die Debatte über New Work auch sparen. Ich finde es schade, wenn gesetzliche Regelungen am Ende doch wieder die Eigenverantwortung von Unternehmerinnen und Unternehmern, Führungskräften und Mitarbeitenden aushebeln.
Braucht es denn überhaupt eine einheitliche Regelung? Existiert ein Schmerz, den ein solches Gesetz lindern könnte?
Ich glaube, dass es immer noch sehr viele Führungskräfte gibt, die mangelnde Führungskompetenz mit Mikromanagement kompensieren und verlangen, dass ihre Mitarbeitenden ins Büro kommen. Vertrauen statt Kontrolle ist aber eine Grundvoraussetzung für New Work. In großen Unternehmen hängt es teilweise von der Abteilung ab, ob man Home Office machen darf oder nicht. Hier wäre eine einheitliche Lösung gut.
Letztlich ist es wie immer: Diejenigen Unternehmenden, denen es an Kreativität mangelt, schielen auf die Gesetzgebung und wünschen sich eine Regel von oben. Das wird aber nicht helfen. Deswegen plädiere ich für unternehmerische Freiheit und unternehmerische Verantwortung, mit dieser Unsicherheit umzugehen.
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