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Katharina Däullary und Manuel Stabenow im Gespräch

Räume für eine neue Arbeitskultur

Ein Gespräch zwischen Katharina Däullary, Head of Design, und Manuel Stabenow, Head of Change Management, combine

Die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht hat vielerorts für Unsicherheit gesorgt. Woher kommt das? Haben wir womöglich den „normalen“ Büroalltag verlernt?

Manuel: Über zwei Jahre haben wir in physischer Distanz zueinander gelebt und primär von zu Hause gearbeitet. Menschen brauchen eine gewisse Zeit, ihr Verhalten zu ändern und neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln – aber das haben sie seit Ausbruch der Pandemie auch ziemlich erfolgreich getan.

Und jetzt ist die Homeoffice-Pflicht plötzlich weggefallen, an die wir uns so gewöhnt hatten. Das sorgt tatsächlich für viel Unsicherheit. Nicht, weil wir die präpandemische Normalität verlernt hätten, sondern weil wir uns in den letzten zwei Jahren an einen völlig neuen Arbeitsalltag gewöhnt haben, der jetzt zum ersten Mal hinterfragt werden kann. Dadurch werden die Menschen wieder mit einer möglichen Veränderung konfrontiert.

Müssen wir also einfach akzeptieren, dass sich die Normalität der Arbeitswelt gerade abermals verändert?

KATHARINA

Katharina Däullary, Head of Design

Katharina: Oder es erstmal realisieren. Am Anfang ging das ja schnell: Nach einem halben Jahr Corona hatte die Debatte um das „neue Normal“ in der Arbeitswelt schon an Fahrt aufgenommen. Doch dann hat sich das ganze Dilemma um die Veränderung der Raumgestaltung und der Arbeitskultur noch eineinhalb Jahre gezogen. Ich glaube, irgendwann in dieser Zeit ist der Kontakt mit dem Büro für manche Arbeitnehmer:innen verloren gegangen. Jetzt kehren viele zurück und merken, dass es den alten Arbeitsalltag gar nicht mehr gibt. Die Problematik ist aber noch weitaus vielschichtiger.

Inwiefern?

Katharina: Die Pandemie hat die ohnehin schon begonnenen gesellschaftlichen Veränderungen wie eine Art Katalysator beschleunigt. Jetzt müssen die Strukturen nachziehen. Aktuell macht es den Eindruck, dass viele Mitarbeiter:innen auf den regelmäßigen physischen Austausch mit ihren Kolleg:innen zu Gunsten ihres Privatlebens gerne verzichten und lieber bequem von zu Hause arbeiten. Vor allem, wenn sie die Arbeitsstrukturen gut kennen.

Aber nicht alle Mitarbeiter:innen wollen auf das Büro verzichten.

Katharina: Zum Glück „wollen“. Aber es geht auch um das Können. Zum Beispiel die Familie mit drei Kindern, die sich den Arbeitsraum teilen muss und schwer Platz für konzentriertes Arbeiten findet. Oder Studierende, die gerne im Homeoffice arbeiten würden, aber in ihrer WG keinen Raum dafür haben. Diese Menschen sind auf das Büro angewiesen und müssen dort passende Arbeitskonzepte vorfinden. Das bringt uns zur eigentlichen Kernfrage: Welche Raumkonzepte wollen und brauchen wir eigentlich? Was sind die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen? Welchen Nutzen kann das Büro in Zukunft bieten, damit die Menschen es auch als Mehrwert empfinden?

Das sind allumfassende Fragestellungen, die wahrscheinlich den Städtebau auch noch intensiv beschäftigen werden. Nicht nur Arbeitsräume, auch Wohngebäude werden sich wandeln müssen. Wenn Arbeit immer und überall stattfinden kann, wie muss dann unser Umfeld aussehen, und wie schaffen wir eine gesunde Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben? Diese Fragen müssen wir uns jetzt stellen, damit die Strukturen langsam nachwachsen können.

Die Städte und Büros sind noch dieselben wie vor der Pandemie und spiegeln also nicht mehr die Arbeitskultur, die sich in diesen zwei Jahren entwickelt hat?

MANUEL

Manuel Stabenow

Manuel: Genau. Die Situation sortiert sich zwar und es werden Konturen erkennbar. Aber es ist ein herausfordernder Gestaltungs- und Anpassungsprozess. Die Pandemie hat eine Geschwindigkeit des Wandels ermöglicht, welche jahrzehntelang undenkbar war. Wir alle wurden ohne Tests oder Wahlfreiheit in eine neue Realität katapultiert.

Die Zwänge der Pandemie haben dazu geführt, dass alles, was wir in der Arbeitswelt für etabliert und unverrückbar hielten, infrage gestellt wurde. Das betrifft auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, Mitarbeitende führen und physische Orte nutzen. Zum Beispiel ist Mobile Office für alle Generationen ein allgemein anerkannter Bestandteil der Arbeitskultur geworden. Das Zusammenspiel vom physischen Büro, der virtuellen Zusammenarbeit und dem Privatleben muss völlig neu gedacht werden.

Was bedeutet das konkret, die Arbeitskultur neu denken?

Manuel: Vor der Pandemie gab es in der Arbeitswelt gewisse ungeschriebene Regeln, die von allen akzeptiert wurden. Zum Beispiel wurde vorausgesetzt, dass Meetings im Team in Präsenz stattfinden. Oder wenn es ein neues Projekt gab, fuhr man als erstes zum Kunden, um sich persönlich vorzustellen. Und Workshops fanden in Anwesenheit aller Beteiligten an ausgewiesenen Orten statt.

Und das gilt jetzt nicht mehr?

Manuel: Mit Corona war plötzlich alles genau andersherum: Alles wurde virtuell, Vernetzung fand nur noch digital statt. Wir haben alle ruckartig nahezu zu 100 Prozent remote gearbeitet, und wir haben das als Normalität akzeptiert. Durch die Pandemie wird das Selbstverständnis der Zusammenarbeit vor Ort durch jede:n Einzelne:n infrage gestellt. Und jetzt sind wir mit dem Ende der Homeoffice-Plicht am offiziellen Punkt, an dem die grundsätzlichen Rituale und Regeln der Zusammenarbeit neu verhandelt werden müssen. Das neue Normal muss jede Organisation für sich definieren. Und wenn man es runterbricht, gilt das für jedes einzelne Meeting, jede Interaktion, jede Phase der individuellen Arbeit.

Katharina: Das finde ich eine ziemlich spannende These. Spätestens jetzt sollten wir doch aufhören, Trends hinterherzurennen und den Organisationen individuelle Lösungsräume bieten. Wir haben das schon mit dem Trendbegriff Agilität erlebt. Da ging es irgendwann gar nicht mehr darum, ob das jeweilige Unternehmen wirklich agil arbeitet. Maximale Flexibilität kann ja nicht falsch sein, wenn das jede:r macht.

Aber wie wertvoll ist beispielsweise die Flexibilität in der Raumstruktur, wenn unser kompletter Alltag immer flexibler und dynamischer wird und wir gar nicht damit umzugehen wissen? Mittlerweile können wir von der ganzen Stadt oder sogar von verschiedenen Ländern aus am selben Projekt arbeiten. Womöglich brauchen Arbeitsräume manchmal mehr Eindeutigkeit in ihrer Funktion. Natürlich kann es dann immer noch Bereiche geben, die flexibel sind. Aber ein bisschen Struktur und Beständigkeit tut uns in diesen dynamischen und teils unsicheren Zeiten vielleicht auch mal ganz gut.

Wir haben über die Veränderungen der Kultur gesprochen. Was ist aber mit den Arbeitsräumen? Wie sieht es dort gerade aus?

Manuel: Aktuell steht in fast jedem Besprechungsraum, in dem sich Menschen getroffen haben, ein improvisierter Arbeitsplatz mit einem großen Monitor. Und irgendjemand hat noch ein drei Meter langes HDMI-Kabel bestellt. Das kann aber nicht die Lösung sein für das, was jetzt auf uns zukommt.

Katharina: Das Thema digitale Zusammenarbeit haben wir bei combine natürlich auch auf dem Tisch. Wie gesagt bin ich gespannt, wie sich unser Arbeitsfeld auf private Wohnräume ausweiten wird. Inwiefern beziehen wir beispielsweise das Homeoffice als Modul in die Konzeption von Räumen ein? Das passiert aktuell noch nicht, oder nicht im nötigen Ausmaß. Darüber hinaus haben wir die zwei Faktoren Struktur und Flexibilität.

Selbstverständlich müssen Räume auch in Zukunft so attraktiv sein, dass die Leute Lust haben, in ihnen zu arbeiten. Dabei spielt die Arbeitskultur eine zentrale Rolle. Arbeitnehmer:innen sollten das Gefühl bekommen, sie verpassen etwas, wenn sie zwei Tage nicht im Büro sind. Raum und Kultur sind also nicht auseinanderzudenken. Nur wenn das Zusammenspiel dieser Elemente funktioniert, entsteht eine positive Sogwirkung.

Was ist mit Open Spaces? Stehen wir gar vor einer Rückkehr der Bürozelle?

Katharina: Es fing ja schon bei der Auswahl des passenden Gebäudes an. Das „Grand Central  Berlin“ liegt direkt am Berliner Hauptbahnhof, sozusagen dem Tor zur Stadt. Umgebung und Gebäude sind dynamisch, kantig und in gewisser Weise unangepasst. Dabei aber sehr ehrlich und transparent.

Katharina: Open Spaces werden nicht verschwinden, aber wir werden zunehmend auch Raumkonzepte brauchen, die fokussiertes Arbeiten ermöglichen. Nicht die klassischen autarken Telefonkabinen, mit Abstrichen in Akustik und Lüftung. Sondern kleine, abgeschlossene Einheiten, die nicht persönlich zugewiesen sind, aber in denen man einfach mal fünf Stunden in Ruhe virtuell arbeiten kann. Ergänzt durch Flächen, die auf Vernetzung, Austausch und Kultur ausgelegt sind.

 

Also für jeden etwas? Open Space, hybride Meeting-Räume, integriert durch fokussiertes Arbeiten?

Manuel: Viele Unternehmen versuchen jetzt tatsächlich, auf die Schnelle die eierlegende Wollmilchsau umzusetzen. Aus der Angst, dass die Mitarbeiter:innen nicht mehr ins Büro zurückkommen wollen, wird versucht, alle Anforderungen und Arbeitsweisen in einer Bürofläche abzubilden, um möglichst viele Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen zu bedienen. Hier wird meiner Meinung nach oft zu schnell und unüberlegt gehandelt. Unternehmen sollten die aktuelle Situation als Chance verstehen, um zusammen mit den Mitarbeiter:innen ihre zukünftige Arbeitsweise nachhaltig zu entwickeln und zu etablieren. Die Frage, wofür sie das Büro wirklich nutzen wollen, spielt hier eine zentrale Rolle.

Katharina: Eine spannende Frage, aus der erst wirklich innovative und ehrliche Raumgestaltung entstehen kann. Architektonische Planung und Design würden somit auch wirklich Flächen schaffen, die das Unternehmen widerspiegeln. Weil sie aus den tatsächlichen Funktionen heraus entwickelt wurden – und nicht, um irgendwelchen Trends nachzueifern. Räume sollten immer mit Menschen entwickelt werden – so wie wir es zum Beispiel bei der neuen ImmoScout24-Zentrale in Berlin gemacht haben, die 2020 eröffnet wurde. Wird die Unternehmenskultur durch partizipative Planung wirkungsvoll in Szene gesetzt, ist auch keine plakative Zurschaustellung der Marke mehr nötig. So konnten wir zum Beispiel bei ImmoScout24 auf das klassische Logo im Eingangsbereich verzichten.

Manuel: Ich glaube, eine Kultur nur zur Schau zu stellen, ist meist zum Scheitern verurteilt, weil sie dann nicht authentisch und nicht greifbar ist. Der Raum kann seinen Nutzen nur erfüllen, wenn die Menschen ihn annehmen und mit Leben füllen. So kann sich die Arbeitskultur der Organisation räumlich manifestieren, und das Büro zur Visitenkarte des Unternehmens werden.