Wortmarke des combine Consulting Logos blau
Katharina Däullary und Greta Egger im Interview

Räume werden mit Menschen gestaltet.

Katharina Däullary, Head of Design und Greta Egger, Senior Designer, combine.

Q: Das „Grand Central Berlin“, ein Büroneubau am Berliner Hauptbahnhof, setzt in vielen Bereichen, allen voran in  Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, neue Maßstäbe. Eine Sache fällt beim Betreten des Büro-Gebäudes gleich auf: Der Empfang kommt auch ohne großes Logo aus. Der Name des Mieters, immerhin ImmoScout24, ist auf den ersten Blick nicht im Innenraum ersichtbar, wenngleich ein Fassadenlogo in Richtung Gleise, auf die Visibilität und hohe Frequenz des Hauptbahnhofes abhebt.

Greta: Das stimmt auf den ersten Blick, jedoch werden die Handschrift und der visuelle Code von Scout24 immer mehr erleb- und spürbarer, je länger man sich im Gebäude aufhält. Man hat sich bewusst gegen große Gesten entschieden, auch die CI-Farben von ImmoScout24 finden sich auf der Fläche nicht wieder. Bei der Gestaltung standen in erster Linie heutige und künftige Mitarbeiter:innen im Mittelpunkt. Die Flächen sind eine „Bühne“ für die Agilität der Menschen und ihre verschiedenen Tätigkeiten.

Q: Deshalb findet sich kein Logo im Eingangsbereich?

KATHARINA

Katharina Däullary, Head of Design

Katharina: Erstaunlich, oder? Die gelebte Kultur transportiert die CI des Unternehmens in die Fläche. Diesen Grad an Authentizität kann ein Innenarchitektur- oder Grafikkonzept allein kaum leisten. Da bedarf es Mut und Vertrauen auf allen Seiten. Der Kunde gab uns Raum, um die Bühne, von der Greta spricht, zu kreieren, und vertraute gleichermaßen auf die Identifikation und Dynamik der Mitarbeiter:innen, von denen sie am Ende bespielt wird.

Q: Welches Umfeld benötigen die Mitarbeiter:innen von ImmoScout24, um gut arbeiten zu können:

Katharina: Um herauszufinden, was die Mitarbeiter:innen wirklich brauchen, was sie bewegt und mit dem Unternehmen verbindet, haben wir zu Beginn des Projektes eine Online-Befragung unter den Mitarbeiter:innen durchgeführt. Ein Prozess, den wir mittlerweile bei vielen Projekten praktizieren. Wir schaffen uns so ein ganzheitliches und mehrdimensionales Bild aus den unterschiedlichen Perspektiven. Im Fall von ImmoScout24 hatten wir nicht nur eine vergleichsweise hohe Beteiligung von rund 92 Prozent erzielt, sondern haben auch bewusst unseren Fokus der Zielgruppe erweitert. Ein Teil der Befragten waren Student:innen und somit potenzielle Bewerber:innen. Dieser Ansatz ermöglichte uns den Aufbau eines ganzheitlichen und gleichzeitig weitsichtigen Narratives.

Q: Was gefällt den aktuellen und den potenziellen Mitarbeiter:innen, wie kann man sie von einer neuen Arbeitsumgebung begeistern?

GRETA

Greta Egger

Greta: Die Fläche ist mutig, unkonventionell und überraschend anders. Jeder Raum und jede Fläche unterscheiden sich und sind individuell gestaltet. Für alle Mitarbeiter:innen und deren verschiedenen Bedürfnisse und Arbeitsweisen ist ein passender Ort vorhanden. Die „Scouties“ sind überwiegend sehr agil und technikaffin, sie brauchen nicht unbedingt den typischen „Berlin-Mitte-Flair“, sondern wollten ein mehrdimensionales Arbeitsumfeld, das auf sie funktional und gestalterisch zugeschnitten ist. Dementsprechend haben wir von Anfang an mit Menschen für Menschen designt, wir haben keine Räume als leere Hüllen entworfen. Ein Gebäude lebt von seinen Nutzer:innen und ist nur mit diesen Menschen komplett.

Q: Hat sich die Scout24 Gruppe deshalb auch für combine entschieden?

Greta: Wir haben für die Scout24-Gruppe bereits in München – seinerzeit für AutoScout24 – erfolgreich neue Büroflächen gestaltet, daraus hat sich eine sehr gute und bewährte Partnerschaft entwickelt. Daher waren wir auch in Berlin von Anfang an mit dabei, von der frühen Phase der Bedarfs- und Anforderungsanalyse, über die Objektsuche an der Seite eines Transaktionspartners und der Verhandlungsbegleitung bis hin zur Entwicklung einer neuen, identitätsstiftenden Arbeitswelt für 800 Mitarbeiter:innen, die wir im Rahmen des Projektmanagements und Interior Designs entsprechend vollumfassend verantwortet haben. Der Neubau „Grand Central Berlin“ des renommierten Projektentwicklers EDGE hat hierbei wesentliche Lage- und Gebäudequalitäten mitgebracht, die komplementär zu den vorgenannten Anforderungen von ImmoScout24 sind.

Q: Was lässt sich über die Identität dieses Kunden im Hinblick auf die Arbeitsplatzgestaltung sagen?

Katharina: Es fing ja schon bei der Auswahl des passenden Gebäudes an. Das „Grand Central  Berlin“ liegt direkt am Berliner Hauptbahnhof, sozusagen dem Tor zur Stadt. Umgebung und Gebäude sind dynamisch, kantig und in gewisser Weise unangepasst. Dabei aber sehr ehrlich und transparent.

Greta: Uns ging es darum, die Werte und Botschaften des Unternehmens auch in den Innenräumen erlebbar zu machen. Sämtliche Kernwände in den Geschossen wurden mit metallischen Oberflächen bespielt. Diese beschreibbaren und magnetischen Wände können die Mitarbeiter:innen für ihre tägliche Arbeit nutzen und ihre Ideen, Konzepte, Visionen und Erfolge werden für alle sichtbar. Zudem wird durch die Reflektion die unmittelbare Umgebung im Gebäude spürbar. Sonneneinstrahlung, in Kombination mit den verschiedenen Strukturen und Materialien, verändert den Raum konstant. Der Innenraum soll immer wieder überraschen, soll in gewisser Weise in Bewegung, kontrastreich sein, eben ein Stück weit wie Berlin.

Q: Welche überraschenden Elemente finden sich noch im neu gestalteten Innenraum?

Katharina: Auch Bereiche, die meistens sehr unspektakulär und idealerweise überhaupt nicht sichtbar sind, wie beispielsweise die Geschirrrückgabe im Community Bereich, wurden bei uns inszeniert. Durch halb transluzente und reflektierende Lamellen wurde der Bereich eingehaust und dient zusätzlich mit einem Snoop Dogg-Zitat „Drop it like it’s hot“ als Eye-Catcher. Also, um es auf den Punkt zu bringen: Kein Ort ist egal, jedes Detail sorgt für eine besondere Atmosphäre.

Q: Die Entwicklung geht hin zu hierarchiefreien Büros, Chef:innen haben keine eigenen Büros mehr, alle sitzen und arbeiten im gleichen Raum, wie ist das bei ImmoScout24 in Berlin umgesetzt?

Greta: Auf Einzelbüros wurde komplett verzichtet. Der Fokus liegt auf Kommunikation und Zusammenarbeit sowie dem Austausch zwischen allen Hierarchien. Offene Arbeitsbereiche gliedern sich durch zahlreiche Rückzugsmöglichkeiten für individuelle, konzentrierte oder gemeinschaftliche Arbeitstätigkeiten. Zudem wurde die oberste Etage für die ImmoScout24-Community konzipiert und hebt sich von den restlichen Flächen funktional und gestalterisch ab. Raum für formelle und informelle Kommunikation mit internen Kolleg:innen sowie externen Partner:innen, Flächen für Bewirtung und Events, Orte zum Spielen und Entspannen. Die internationale Belegschaft von ImmoScout hat bekommen, was sie sich gewünscht hat: „Places to live, work, meet, relax and retreat“. Spannend ist, dass das Konzept vor der Pandemie entwickelt und umgesetzt wurde, aber den neuen räumlichen Anforderungen des Arbeitens und Miteinanders bereits auch zu wesentlichen Teilen post-pandemisch entspricht.

Q: Wie frei kann man eigentlich bei der Gestaltung von Innenräumen sein?

Katharina: Die Frage ist vielmehr, welchem Zweck die Freiheit dient.  Eine Wohnung zum Beispiel folgt ja in der Regel auch gewissen Parametern. Es gibt hoffentlich ein Bad, eine Küche, Raum zum „Wohnen“ und Platz zum Schlafen, eben Parameter, die funktional Sinn ergeben und sich bewährt haben. Diese Rahmenbedingungen finden wir natürlich auch in der Gestaltung von Arbeitswelten. Es wäre fraglich, sich über akustisch abgetrennte Räume hinwegzusetzen, um vermeintlich frei in der Gestaltung zu sein. Design ist immer auch dann gut, wenn es seine Aufgabe erfüllt. Natürlich atmosphärisch, aber auch funktional und kulturell. Um hier die kundenspezifischen Anforderungen zu identifizieren, gilt es zuzuhören, Fragen zu stellen und die verschiedenen Organisationseinheiten zu verstehen, sowie frühzeitig in die Konzeption miteinzubeziehen. Aber auch in den richtigen Momenten die Hoheit über Konzept und Entwurf nicht aus den Händen zu geben. Das heißt nicht, dass wir Bewährtes nicht auch regelmäßig hinterfragen. Aber wir tun es nicht aus dem reinen Beweggrund heraus „anders zu sein“, sondern weil wir beobachten und erkennen, wenn sich Bedarfsstrukturen ändern.

Q: Und welche Aufgabe wird Innendesign in Zukunft erfüllen, wie werden die Büros der Zukunft aussehen?

Greta: Arbeit, Führung und Arbeitswelten haben sich im Laufe der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt. Dann kam die Pandemie – und veränderte sofort die Art und Weise, wie wir arbeiten, kollaborieren und interagieren sowie Flächen und Räume nutzen. Ein Paradigmenwechsel zum mobilen Arbeiten, der seit Jahrzehnten nicht möglich war, wurde innerhalb weniger Wochen Realität. Das Homeoffice ist global zu einem festen Bestandteil des Arbeitens geworden. Entsprechend müssen die „Corporate Offices“, also die Büros zu „Heimatorten“ für die Menschen werden, die Qualitäten bieten, die das Homeoffice nicht erfüllen kann. Orte der Kreativität, des Austauschs und des Wissenstransfers in analogen, digitalen und hybriden Formaten sowie der Gemeinschaft und des Miteinanders, um Identifikation zu stiften. Es wird neue Zielgruppen geben, die noch stärker „purpose-driven“ sind, das heißt für die ein gemeinsames Werteverständnis ein wesentliches Element der Identifikation mit einem Unternehmen bilden. Nachhaltigkeit spielt hier mitunter eine immer bedeutsamere Rolle, die auch bei der Gestaltung und in der Verwendung von Produkten und Materialien berücksichtigt werden muss.

Katharina: Es kommt ja immer anders als man denkt. Aber darauf ist wiederum Verlass. Was aber bleibt ist, dass Menschen kommunizieren und sich austauschen wollen, dass sie nach Sinn, Motivation, Sicherheit und Rückzug suchen. Design hat heute, wie auch in der Vergangenheit die Aufgabe, dafür den richtigen Rahmen zu schaffen. Zu inspirieren, wo es gebraucht wird, und sich zurückzunehmen, wo es notwendig ist. Die Zukunft des Büros folgt keinen Trends, sondern setzt den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Büros werden mit dem Homeoffice und der Selbstbestimmtheit der Mitarbeiter:innen konkurrieren und somit vielmehr zu Ankerpunkten der Identifikation werden. Sie müssen sowohl eine Plattform für Austausch werden als auch Raum für individuellen Rückzug und Fokus bieten.

Liebe Greta, liebe Katharina, vielen Dank für die spannenden Einblicke in euer Verständnis von Design!