Virtual First: So macht Dropbox Home Office zum neuen Standard
Das Büro der Zukunft heißt „Studio“
Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet der Cloud-Dienst Dropbox: Das amerikanische Digitalunternehmen hat eine detaillierte Vision für die Neuausrichtung in der Zeit nach der Pandemie präsentiert. Die programmatisch „Virtual First“ genannte Strategie bekennt sich explizit zum digitalen Arbeitsplatz als neuen Standard: Soweit möglich, sollen die knapp 3.000 Dropbox-Mitarbeiter auch in Zukunft im Home Office-Modus bleiben.
Wichtige Ausnahme: Teamarbeit, Meetings und alle sonstigen kollektiven Arbeitsprozesse werden weiterhin in den angestammten Dropbox-Büros – umbenannt in „Studios“ – stattfinden. Individuelle Arbeitsplätze wird es hingegen nicht mehr geben – dies ist wohl auch der wichtigste Unterschied gegenüber den sogennanten „hybriden“ Modellen, in denen die Wahl zwischen Büro und Home Office den Mitarbeitern überlassen wird.
Während die meisten Unternehmen aktuell dieses Modell zu favorisieren scheinen, hebt Dropbox Mitgründer und Geschäftsführer Drew Houston die Vorzüge des Virtual First Modells hervor: „Für die meisten wird es keinen Weg zurück zum Status quo vor Corona geben. Deswegen bauen wir unsere Büros zu Orten um, wo man zusammenkommen kann, aber nicht, um dort individuell zu arbeiten. Es sollen wirklich nur Orte zum Treffen sein“. Man müsse verhindern dass jene Mitarbeiter, die sich für das Office entscheiden, ein „Geisterbüro“ vorfinden, argumentiert Houston.
Die Anzahl der bestehenden Standorte wird voraussichtlich reduziert, wobei das Unternehmen in seinem Blog gleichzeitig die mögliche Neugründung vieler kleinerer Dropbox-Studios in Aussicht stellt. Ziel sei es die Nähe zu den Mitarbeitern zu stärken, so das Unternehmen: Man wolle die Vorteile des Home Office erhalten und gleichzeitig die Vorzüge der Zusammenarbeit im Büro stärken.
Mitarbeiter sollen die Zukunft der Arbeit mitbestimmen
Besonders hervorzuheben am Ansatz von Dropbox: Alle Mitarbeiter sollen an der weiteren Entwicklung teilnehmen können, indem sie ein nach Open-Source Prinzipien entwickeltes „Virtual First Toolkit“ nutzen. Die virtuelle Werkzeugkiste soll die wichtigsten Aspekte der neuen Strategie definieren; diese ist weniger als Standort-Reorganisation sondern vielmehr als ganzheitlicher Transformationsprozess zu verstehen, der sämtliche Abläufe im Unternehmen radikal neu denkt.
Aber was ist das eigentliche Ziel dieser Operation? Effizienzgewinne und Kostenreduzierungen spielen zwar eine wichtige Rolle, doch letztendlich geht es Dropbox vor allem um die Entwicklung einer gesunden und zeitgemäßen Corporate Culture, wie Geschäftsführer Drew Houston erklärt: „Wenn man das persönliche Miteinander komplett einstellt, ist es schwierig, überhaupt eine Unternehmenskultur zu haben“. Eine Abschaffung des Büros, wie in anderen Unternehmen angedacht, sei deshalb keine gute Option. Doch man müsse auch darauf achten, dass Mitarbeiter im Homeoffice die gleichen Chancen haben, wie die Mitarbeiter im Büro, so Houston weiter. Virtual First sei ein Versuch, diese widersprüchlichen Bedürfnisse zu harmonisieren.
Doch taugt die Dropbox Strategie auch als Modell für deutsche Unternehmen? Sandra Breuer, Geschäftsführerin bei combine, bezweifelt das: „Konzepte von amerikanischen Unternehmen sind kaum direkt übertragbar aufgrund der unterschiedlichen kulturellen, geografischen und auch rechtlichen Rahmenbedingungen“. Büro- und Raumkonzepte sollten ihren Ursprung immer in der Kultur und den Aufgaben der jeweiligen Organisationen finden – in diesem Sinne könne Virtual First der richtige Ansatz für Dropbox sein, müsse aber nicht für andere Unternehmen passen, so Breuer. Gleichzeitig seien Ansätze, die sich stark positionieren und polarisieren, wertvolle Quellen für Inspiration und Gedankenanstöße.
Ob und inwieweit das Experiment von Dropbox gelingen wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Eines scheint jedoch sicher: Das Büro wird auch in der Post-Corona Zeit nicht verschwinden – auch wenn es dann vielleicht heißen wird: „Ich gehe mal kurz ins Studio“.