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Hippocampus Kolumne 10: Meetings

Was soll schon gegen eine pulsierende Meeting-Kultur sprechen? Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen. Schon Aristoteles war das aufgefallen. Er nannte die Individuen unserer Spezies daher „zoon politikon“, in der Gemeinschaft lebende Wesen. Den Grund dafür glaubte der Schweizer Biologe Adolf Portmann entdeckt zu haben. Der Mensch würde im Gegensatz zu vielen Säugetieren unfertig auf die Welt kommen. Während ein gerade geborener Elefant sehr schnell mit der Herde weiterziehen kann, ist der Mensch hilflos und braucht die Gruppe. Und der Anthropologe Michael Tomasello verweist darauf, dass der Frühmensch an einem bestimmten Punkt – im Gegensatz zum Affen – zu kooperativen Lebensweisen gezwungen war, um sein Überleben zu gewährleisten.

Wenn der Meeting Kalender dauernd klingelt

Vielleicht sind genau diese tief in unseren Genen angelegten Verhaltensweisen die Ursache dafür, dass wir Menschen immer noch gern zusammenkommen – beim Dinner, bei Konzerten, und eben auch Tag für Tag in Unternehmen. Dort sitzen wir dann bei den immergleichen Keksen um einen Tisch, trinken Kaffee und Wasser, jeder will etwas zum Gespräch beitragen, um seine Anwesenheit zu legitimieren, und wenn ein Meeting für eine Stunde im Kalender steht, dann dauert es auch eine Stunde. Sollten wir aus der Ferne arbeiten, funktioniert das alles natürlich auch problemlos dank eines stark angewachsenen Arsenals an Video-Anwendungen.

Doch wir haben es eindeutig übertrieben. Nicht erst mit der Corona-Pandemie haben Meetings – ganz gleich ob digital oder analog – inklusive der fest getakteten Jour Fixes zugenommen. Für die dazu zitierten Mitarbeiter gibt es kaum ein Entrinnen, und viele Führungskräfte werden zu Opfern ihrer eigenen (übertriebenen) Meeting-Politik. Philipp Kolo, Personalexperte bei der Boston Consulting Group, sagte dazu dem Münchner Merkur: „Es gibt Führungskräfte, die 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. Das ist nicht effizient, denn sie sollen ja auch inhaltlich arbeiten und brauchen Zeit für ihre Teams.“ Und Dirk Schmachtenberg, Chef der Management- und Technologieberatung Plan D, äußerte gegenüber Capital, dass Meetings meist viel zu lange dauern. Ein- bis zweistündige Jour Fixes könnten locker auf die Hälfte der Zeit reduziert werden.

Meetings Fotoausschnitt eines alten, sehr rudimentären Amphitheaters aus Steinen und Rasen, kreisrund angelegt
Ein aufgeschlagenes Buch liegt auf einem Holzsekretär, auf dem ein gemaltes Bild, ein Buchsbaum, eine Sanduhr und weitere Bücher stehen

Diese Auswüchse sind nicht mehr mit dem menschlichen Naturell zu begründen, gerne zusammenzukommen. Die immer dichten getakteten und immer größer aufgeblasenen Meetings nerven, frustrieren, sind oft ineffizient und werden als Gängelung wahrgenommen, die den Freiheitsaspekt bei der Arbeit erheblich einschränkt. Die galoppierenden Meetings gehorchen der irrsinnigen Beschleunigung in der Arbeitswelt und haben auch mit der vermeintlichen Errungenschaft zu tun, dass mittels digitaler Tools blitzschnell Termine einberufen werden können für eine beliebig große Gruppe, deren Mitglieder sich um den gesamten Globus verteilen. Nein, gerade in Zeiten, in denen im New-Work-Kosmos alles möglich erscheint, müssen wir einen Gang zurückschalten. Wenn wir uns schon an archaische Verhaltensweisen erinnern, sollten wir auch an große Leistungen der Menschheit denken, die gerade dann gelangen, als ein Mensch allein und konzentriert bei der Arbeit war.

Der geniale Eigenbrötler Nikola Tesla hätte sicherlich nicht seine 280 Patente zustande gebracht, hätten seine Geldgeber ihn ständig zu Meetings antreten lassen. Hätten ständig irgendwelche Nerds vor der Garage von Steve Jobs gestanden, wäre auch er wahrscheinlich langsamer vorangekommen. Ganz zu schweigen von großen Einzelgängern des Kunstbetriebs wie Eduard Manet, Vincent van Gogh oder Pablo Picasso oder musikalischen Genies wie Lennon und McCartney, die in der meditativen Stille des indischen Ashrams nach eigener Aussage einige ihrer besten Songs schrieben. Doch Konzentration, gar Kontemplation scheint in den Konzernen von heute kaum mehr möglich.

Ob Büroarbeit oder Homeoffice: Die Entschleunigung muss wieder Einzug halten in der Meeting Kultur, das richtige Maß gefunden werden zwischen agilen Phasen in der Gruppe und konzentrierten Phasen mit sich und seinen Themen und Aufgaben. Wer seine Mitarbeiter alle Stunde aus der Arbeit herausreißt, der darf sich nicht wundern, wenn gerade Innovation und Kreation unterbleiben und die Unzufriedenheit steigt. Ein Anfang wäre gemacht mit einer Art Meeting-Inventur. Brauchen wir wirklich so viele Termine? Und müssen sie exakt diese Längen haben? Müssen wirklich so viele Menschen daran teilnehmen? Und um die Mitarbeiter zusätzlich zu schützen wie auch in ihrer Produktivität und Kreativität zu fördern, könnte man in einem Pilotmonat, zwei Stunden pro Tag meetingfrei halten. Dem Urtrieb der Versammlung werden die sicher besser gelaunten Kolleginnen und Kollegen dann in Kantine und Kaffeeküche nachkommen.

Fotoausschnitt einer Bürofläche in Grau und Grün mit Bank, Sitzkissen, große Pflanze und Beistelltisch für Notebook-Ablage
Frau sitzt mit Laptop auf den Beinen auf dem Sofa

Jan Teunen ist Co-Autor der Bücher „Officina Humana“ und „Wo die Seele singt“ und Geschäftsführer der Teunen Konzepte GmbH. Als Cultural Capital Producer erarbeitet er für Unternehmen Konzepte, die dazu beitragen sollen, eine nachhaltige Unternehmenskultur zu entwickeln. Laut Teunen erzeugt die Dominanz der rationalen und einseitig auf die Ökonomie zugeschnittenen Arbeitswelt große Reibungsverluste, die die Entfaltung von Kultur behindern. Sein Bestreben ist es, diese Reibung zu reduzieren und damit die Unternehmenskultur und Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

Foto Jan Teunen: Hans Schlegel

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