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Der Kopf eines Wolfes der an einem Holzbrett schnuppert

Hippocampus Kolumne 8

Was das mobile Arbeiten und neue Arbeitswelten mit unseren Büros macht, darüber wird aktuell viel diskutiert. Dabei geht es aber oftmals um Zahlen, Daten, Fakten. Wir bei combine denken, dass bei all dem auch der Mensch nicht vergessen werden sollte. Schließlich ist das Büro für die meisten der Ort, an dem der Großteil der Arbeits(lebens)zeit verbracht wird.

Der Wolf als Vorbild im Reich des Remote Leadership.

In Zeiten, in denen sich die Arbeitswelten immer weiter von unserer natürlichen Heimat entfernen, ist manchmal ein Blick auf die Wiesen und in die Wälder sehr hilfreich. In Deutschland breitet sich dort der Wolf aus, ein Tier, das bei uns Menschen oft archaische Ängste hervorruft. Das ist schade, denn Isegrim kann uns ein fabelhaftes Vorbild sein, wenn es um Führung geht, ganz speziell auch um Führen aus der Distanz.

Ein Vorurteil, welches der Wolf mit sich herumschleppt, lautet, dass sein Rudel in einer unbarmherzigen Hierarchie strukturiert ist. Ganz oben gibt der gefürchtete Alpha-Wolf den Ton an, während man mit dem Omega-Wolf als schwächstes Glied in der Kette fast Mitleid haben muss. Dieses Muster findet man aber nur bei Wölfen, die in Zoos eingesperrt sind und deren Bewegungsdrang stark eingeschränkt wurde. In der freien Natur läuft es ganz anders.

Natürlich gibt es auch dort den Leitwolf. Der benimmt sich jedoch weit freundlicher und sozialer als in Gefangenschaft. Das mag an der Gunst des freien Willens liegen. Der Leitwolf kann entweder das Rudel verlassen, wenn ihm danach ist, oder er bleibt bei seiner Gruppe, weil er dort gebraucht wird, etwa um die Versorgung seiner Nachkommen zu gewährleisten, um für Geschlossenheit zu sorgen, Aufgaben zu verteilen, ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln oder um sich um die Schwächsten zu kümmern. Das schafft er ohne Machtkämpfe, ohne Aggression und ohne Unterwerfung. Der Leitwolf scheint aufgrund einer natürlichen Autorität akzeptiert zu sein.

Das Geschenk der Freiheit funktioniert nur, wenn es mit Verantwortung und Vertrauen gepaart ist.

Es liegt auf der Hand, dass uns solche Beobachtungen von Naturforschern weiterhelfen können, und nicht erst seit gestern werden entsprechende Wolfsworkshops angeboten. Wenn es um Remote Leadership geht, halte ich zwei Aspekte für beachtenswert. Den des Nicht-Eingesperrtseins der Führungskraft, was eine gewisse geistige Ausgeglichenheit mit sich bringen sollte und das Team vor emotionalen Extremsituationen schützen kann. Und den der natürlichen Autorität, was dazu führen kann, dass das Team die Abwesenheit der Führungskraft nicht ausnutzt, sondern im Sinne des Unternehmens arbeitet. In beiden Fällen handelt es sich letztlich um Fragen der Freiheit. Freiheit, dieses große Geschenk, von dem wir alle wissen, dass es nur funktioniert, wenn es mit Verantwortung und Vertrauen gepaart ist.

Eine Kultur des Remote Leaderships funktioniert daher dann und nur dann, wenn Menschen am Werke sind, die in ihrer Persönlichkeitsentwicklung ein gutes Stück vorangekommen sind. Genauer: wo Herzensbildung, Nächstenliebe und die Kontrolle über das eigene Ego auf einem höheren Niveau pulsieren. Wer diese Tugenden ausstrahlt in Verbindung mit der festen Überzeugung, Herausforderungen bewältigen zu können, schafft ganz automatisch eine natürliche Autorität und damit ein Klima des Gelingens.

Dieses Klima braucht allerdings Räume der unmittelbaren Initialisierung. Ein Leitwolf kann jede Bewegung, jede Verstimmung, jedes Bedürfnis in seinem Rudel spüren, riechen, deuten. Andersherum erleben die Rudeltiere in jeder Sekunde, wie ihr Leitwolf tickt und dass sie sich im Fall der Fälle auf ihn verlassen können. Ein Chef oder eine Chefin und ihr Team brauchen das auch. Menschliche Strahlkraft sowie deren Wahrnehmung durch das Gegenüber können nicht dauerhaft aus der Distanz transportiert werden. Wer das glaubt, wird in der Digitalisierung untergehen.

Dazu passt eine Kienbaum@ISM-Studie aus dem Oktober 2022, die sich dem „Führen aus der Ferne“ widmete und über eine Befragung von Führungskräften herausfand, dass sich Performance wie Produktivität der Mitarbeitenden im Zuge der Remote-Arbeit zwar gesteigert hätten, sie motivierter seien und auch mehr Überstunden machten, aber sie erschöpfter seien als in den Zeiten reiner Büroarbeit. Auch die Führungskräfte selbst, vor allem die des mittleren Managements, gaben an, dass Remote Leadership mit höherer Arbeitsbelastung einherginge. Vor allem die Bereiche Gesundheitsmanagement und People Management seien jetzt gefragt, denn Teambuilding, Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung würden unter Remote Work leiden.

Da man nicht voraussetzen kann, dass in jeder Führungskraft der ideale Wolf steckt, zwar mit Freiheitsprivilegien versehen, aber eben auch belastbar und in der Verantwortung, das soziale Miteinander zu kultivieren, halte ich Leadership-Schulungen in dieser Hinsicht für unverzichtbar, gerade auch, weil das Rad der Remote-Arbeit nicht mehr zurückzudrehen ist. Vielleicht könnte ein spektakulärer Auftakt dafür ein gemeinsames Wolfsstudium sein! Gehege gibt es in Deutschland in großer Zahl. Aber trotz großen Auslaufs zeigen sie Wölfe nur in Gefangenschaft – mit den beschriebenen Konsequenzen. Da der Wolf hierzulande jedoch auf dem Vormarsch ist, werden inzwischen auch Ganztagswanderungen in freier Wildbahn angeboten. In der Gruppe analog die Natur zu erforschen, ich kann mir in digitalen Zeiten kein besseres Teambuilding vorstellen.

Hippocampus Kolumne Combine-consulting_Jan_Teunen

Jan Teunen ist Co-Autor der Bücher „Officina Humana“ und „Wo die Seele singt“ und Geschäftsführer der Teunen Konzepte GmbH. Als Cultural Capital Producer erarbeitet er für Unternehmen Konzepte, die dazu beitragen sollen, eine nachhaltige Unternehmenskultur zu entwickeln. Laut Teunen erzeugt die Dominanz der rationalen und einseitig auf die Ökonomie zugeschnittenen Arbeitswelt große Reibungsverluste, die die Entfaltung von Kultur behindern. Sein Bestreben ist es, diese Reibung zu reduzieren und damit die Unternehmenskultur und Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

Foto Jan Teunen: Hans Schlegel

Weitere Fotos: Pexels, iStock

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