Warum Raum nicht ohne Kultur funktioniert
Wie die Zukunft der Arbeit aussieht, welche Antworten eine Büromöbelmesse geben kann – und welche nicht.
In einer komplexen, volatilen Welt befindet sich die Art unserer Zusammenarbeit kontinuierlich im Umbruch. Mitarbeitende, Führungskräfte, Unternehmen und nicht zuletzt wir als Gesellschaft versuchen herauszufinden, wie wir unter sich ständig verändernden Bedingungen gut zusammenarbeiten können..
Als Unternehmen, das es als seine Aufgabe ansieht, Innovationen voranzutreiben und an Lösungen mitzuarbeiten, haben wir uns auf der wichtigsten Messe zum Thema Büromöbel umgesehen. In diesem Beitrag möchten wir die Impulse von dort einordnen und uns damit beschäftigen, wie wir gemeinsam die Zukunft der Arbeitswelt gestalten.
Corona hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, nachhaltig verändert.
Von zuhause aus arbeiten, Videocalls statt zum Außentermin zu fahren, arbeiten da, wo man danach noch Urlaub macht.
Doch die neu gewonnene Freiheit geht mit ganz neuen Problemen einher. Die flexiblen Home Office-Worker kämpfen am heimischen Küchentisch mit Rückenproblemen. Ohne räumliche Trennung verschwimmen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit. Gleichzeitig gibt es immer mehr Single-Haushalte, die ein Bedürfnis nach sozialer Interaktion haben.
Als Konsequenz der neuen Freiheit stehen ganze Bürogebäude leer und viele Chefs fragen sich, wie sie es schaffen, ihre meist nicht gerade günstigen Flächen wieder auszulasten. Der Trend geht #BackToOffice – mal freiwillig, mal verpflichtend, aber häufig ohne konkreten Plan, wie man seine Mitarbeitenden in guter Stimmung zurückholen kann. Oder wie Arbeiten unter hybriden Bedingungen eigentlich aussieht.
Das sind die Antworten der Büromöbelhersteller
Seit 1990 findet in Köln die internationale Leitmesse für Office und Objekt unter dem Titel Orgatec statt, die Veranstaltung an sich gibt es seit den fünfziger Jahren. Über die Jahre wurden dort Innovationsimpulse verarbeitet, neue Trends wie Activity-Based-Working aufgegriffen oder kluge Konzepte für Raum-in-Raum-Arbeiten vorgestellt. Doch obwohl der Back-to-Office-Trend den Büromöbelherstellern nach den schwierigen Corona-Jahren in die Hände spielen müsste, suchte man in diesem Jahr Innovationen vergeblich. „Ratlosigkeit“ ist ein Begriff, den mehrere unserer Berater:innen wählten, um die Auswahl und Zusammenstellung der Ausstellungsstücke zu beschreiben. „Wenn man nicht wüsste, dass es hier um Büromöbel geht, würde man es nicht vermuten“, kommentiert Bettina Herold, Workplace-Expertin bei combine.
Diese Trends haben wir festgestellt:
Nachhaltigkeit:
Auch in der Möbelbranche sucht man nach Wegen, ressourcenschonender zu arbeiten. Der Fokus lag dabei auf nachwachsenden und recycelbaren Rohstoffen. Echte Innovationen, etwa Ideen zur Kreislaufwirtschaft oder Refurbishing-Konzepte, waren jedoch kaum zu finden.
Künstliche Intelligenz (KI):
Der massive Einfluss, den KI künftig auf unsere Arbeit haben wird, war auch auf der Messe spürbar – allerdings vor allem in der Ratlosigkeit statt in konkreten Ideen, wie unsere Arbeitswelt das widerspiegeln könnte. Vielleicht ist so etwas von einer „Möbelmesse“ aber auch nicht zu erwarten
Privatsphäre und Raum-in-Raum-Arbeiten:
Hier zeigt sich vielleicht am deutlichsten der fehlende Innovationscharakter. Telefonkabinen oder ThinkTanks waren vor einigen Jahren die kreative Antwort auf die Frage, wie man im Activity-Based-Working für Rückzugsraum sorgen kann. Diese Raumlösungen sind auch nach wie vor präsent, allerdings beschränken sich die Neuerungen auf bessere Lüftungen, smartere Funktionen oder poppigeres Design.
Soft Seating:
Am präsentesten waren die zahlreichen Sofas, Sessel und gemütliche Sitzmöglichkeiten. Poppig, schick, weg von sterilen, funktionalen Möbeln, hin zum gemütlichen Büro, in dem gemeinsam auf dem Sofa gefläzt wird.
Wir sehen also eine noch stärkere Vermischung von Wohnen und Arbeiten, noch mehr, als wir es durch das Home Office ohnehin schon erleben.
Kommunikation als zentrales Bedürfnis der Arbeitswelt wird schwarz-weiß abgebildet: Schalldichte Zellen für private Kommunikation. Loungemöbel für die Gemeinschaft.
Doch das wird weder den komplexen Anforderungen an zwischenmenschliche Kommunikation gerecht, noch den Bedürfnissen, die Menschen und Unternehmen an Arbeit haben. Ebenso wenig wird es gelingen, Menschen mit gemütlichen Sofas zurück ins Büro zu locken. Denn die gibt es genauso zu Hause, ohne den anstrengenden Pendelweg. „Der Mensch will arbeiten, aber auf dem Sofa wird er nicht glücklich“, sagt Katharina Däullary, Head of Design bei combine. „Ich hab viele Büros gesehen, die diese gemütlichen Welten haben – und da ist keiner. Da braucht es mehr Ideen, Sinn und Erfüllung.“ Gut gestaltete Büros helfen, sind daher aber sicher kein Allheilmittel.
Warum kommen Menschen eigentlich ins Büro?
Change-Spezialist Manuel Stabenow von combine nennt drei Gründe:
- Die Arbeit bestmöglich verrichten zu können. Hier spielt technische oder funktionale Ausstattung die größte Rolle, aber sie muss einen echten Mehrwert schaffen.
- Eine sinnstiftende Tätigkeit, nicht nur individuell, sondern auch durch das Erleben, gemeinsam Herausforderungen in einer höheren Qualität zu bewältigen als alleine.
- Zugehörigkeit: Menschen kommen ins Büro, weil sie dort andere Menschen treffen. Dabei kommt es auf bedeutsame Begegnungen an und nicht nur darauf, vor Ort Termine abzuarbeiten.
„Die Mehrheit hat für sich entschieden und spricht es jetzt offen aus: Eine gewisse Anzahl an Zeit vor Ort gemeinsam in Präsenz ist uns wichtig, ist gut und hilft, und wir wollen das“, so Stabenow.
Was fehlt sei häufig das Bewusstsein, dass sich Prozesse und die daraus entstehenden Routinen der Arbeit grundlegend verändern. Hier müssten sich Unternehmen etwa die Fragen stellen: Wie gestalten wir Arbeit, wenn wir manchmal da sind und manchmal nicht. Für welche Arbeit kommen wir zusammen? Klare Antworten darauf geben Halt im hybriden Arbeiten und sorgen dafür, dass alle gut zusammenarbeiten können.
Das Zusammenspiel aus Büro, Home Office und Arbeiten an dritten Orten ist komplex.
„Es ist schwierig, das in einem künstlichen Raum wie einer Messe abzubilden“, ordnet Geschäftsführer Matthias Pietzcker ein. Dadurch wirke es lückenhaft und manchmal uninspiriert inszeniert. Das „Gesamtkunstwerk der Arbeitswelt“ werde so nicht dargestellt.
Das Möbel alleine noch keine Bürokonzepte machen, wissen auch die Hersteller und Messeveranstalter. Die Orgatec wollte diese Lücke nun zum ersten Mal mit einem Work Culture Festival schließen. Mit Vorträgen, Diskussionen und Workshops sollte dort die Zukunft der Arbeitswelt verhandelt werden, auch combine war Teil davon. Hier war dann tatsächlich Spielraum für Fragen, Einordnung und gemeinsames Aushandeln.
Denn diese komplexen Fragen können wir nur gemeinsam beantworten, und dafür sehen wir es als unsere Aufgabe an, in den Austausch zu gehen. „Wir müssen selbst aus der Branche heraus überlegen, wie wir Teil der Lösung sein können“, sagt Katharina Däullary. „Zukunft gestalten kann man nur da, wo Menschen sind.“
Am Ende ist es nicht die Aufgabe der Möbelbauenden alleine, die Frage nach der Zukunft des Arbeitens zu beantworten. Ihre Kernkompetenz ist es schließlich, funktionale und gerne auch schöne Möbel zu bauen.
Wie die Zukunft der Arbeitswelt aussieht, müssen wir auf verschiedenen Ebenen beantworten:
Wir müssen gemeinsam herausfinden, wie wir eigentlich arbeiten wollen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und auch eine, die niemals abgeschlossen sein wird. Denn die Welt, in der wir leben, wandelt sich so rapide, dass auch unsere Arbeitswelt sich stetig wird anpassen müssen. Fixe Konzepte, die Jahrzehnte lang gültig sind, wird es nicht mehr geben.
Unternehmen und Teams müssen für sich beantworten, welche Bedürfnisse sie haben, welche Prozesse sie im Büro abbilden wollen und welche Routinen sich darauf entwickeln lassen, die einen Mehrwert für die Menschen und deren Arbeit generieren.
Büromöbelhersteller leisten auch weiterhin ihren Beitrag, indem sie die Möbel entwickeln, die dazu passen. Auch sie können Ideengeber sein und sich an ihr innovatives Potenzial erinnern.
Unsere Aufgabe bei combine: die Möglichkeiten mit den Bedürfnissen zu matchen und Konzepte mit echtem Innovationscharakter zu entwickeln.
Dazu gehört am Ende dann auch, Räume mit Möbeln zu befüllen. Immer mit dem Ziel, die Menschen mit den Büros, die sie brauchen und verdienen, zusammenzubringen. Nur gemeinsam können wir die Frage beantworten, wie wir wirklich gut zusammenarbeiten. Dazu brauchen wir neue Formate, die alle Dimensionen in einen Zusammenhang bringen.
Damit wir so die Zukunft der Arbeit immer wieder neu entwickeln können.