Wortmarke des combine Consulting Logos blau
An einer langen weißen Wand hängt eine weiße Uhr die zwanzig vor elf Uhr anzeigt

„Architektur muss in ihrer Zeit verankert sein“ .

Ein Gespräch zwischen Dr. Laura Kienbaum und Veit Knickenberg, Geschäftsführung combine.

Aufgezeichnet von Markus Albers

Wenn wir neue Gewerbe- und Büroflächen betrachten, entsteht oft der Eindruck, dass die meisten Gebäude gleich aussehen, viele Elemente wiederholen sich, es ist kaum architektonische Inspiration zu erkennen. Wie seht Ihr das, spielt architektonische Qualität bei Neuentwicklungen überhaupt noch eine Rolle – oder ist das nur eine Frage des Geschmacks?

Veit: Die Frage, was einem gefällt, ist durchaus berechtigt und steht nicht im Widerspruch zur architektonischen Qualität. Wo gehen wir beispielsweise hin, wenn wir einen Städtetrip machen, wenn wir in einer fremden Stadt sind? Gehen wir in Neubausiedlungen oder gar in neue städtebauliche Areale am Standrand? Nein, die meisten Menschen zieht es in die Altstadt, in die Zentren, zu den alten Gebäuden, in die eng verdichteten Straßen und Gassen, wo die Geschichte und die Kultur der Stadt ablesbar sind. Offenbar beeindruckt uns diese Konzentration aus Altbau, Diversität und belebtem Umfeld mehr als die meisten Neubauentwicklungen, das ist im Hinblick auf architektonische Qualität interessant.

Wenn viele Menschen der Meinung sind, früher wurde schöner gebaut, muss das doch frustrierend sein für Menschen, die heute bauen, die sich heute um architektonische Qualität bemühen?

VEIT

Veit Knickenberg

Veit: Auch heute entstehen Gebäude von höchster architektonischer Qualität. Eine weit verbreitete Meinung ist aber, dass klassische Architektur „schöner“ sei als die moderne. Vielleicht liegt es am Fehlen einer gemeinsamen Stilrichtung, am Fehlen einer Haltung in der modernen Architektur. Gefühlt hat mit dem Bauhaus die Zeit der Architekturstile in der breiten Masse abgenommen. Bauhaus war eine Stilrichtung mit einem gesellschaftlichen Anspruch, mit Ideen von der Architektur bis zum Möbeldesign. Sehr reduziert, auf dekorative Elemente wurde verzichtet. Es war eine neue Sachlichkeit, erreichbar für alle Gesellschaftsschichten. Seit damals gibt es aus meiner Sicht keine solche klare Haltung mehr in der Architekturwelt. Heute dominieren Minimalismus, scheinbar „ökologisches“ Bauen oder Hightech-Architektur. Ob das Stilrichtungen sind, bezweifle ich. Das heißt auch: Es gibt keine generelle architektonische Qualität, die für alle gleichermaßen gilt.

Laura: Abgesehen von Stilrichtungen, architektonischen Strömungen oder Themen, die Architekturschaffende zu bestimmten Zeiten beschäftigen: es ist tatsächlich ein Schmerz, wenn in der breiten Öffentlichkeit Einigkeit darüber besteht, dass früher schöner gebaut wurde. Das liegt auch daran, dass Inhalte aus dem Elfenbeinturm des Architekturdiskurses nur selten für den Laien sichtbar oder erlebbar werden. Hinzu kommt das uns stets begleitende Thema der Wirtschaftlichkeit von Immobilien, die vom Städtebau bis hin zur Innenraumgestaltung zunehmende Relevanz erhält. Das Ganze hat zur Folge, dass heute moderne Gebäude gebaut werden, und an die Fassade werden Pseudostuck-Elemente geklebt, irgendwelche Schnörkel und Ornamente, es wird klassizistisch aufgehübscht, und dann folgen noch ein paar Säulen an der Eingangstüre. Das ist eigentlich absurd. Vor allem aber ist es nicht authentisch. Und Architektur ist nur dann qualitätsvoll, wenn sie eine gewisse Authentizität und Echtheit hat.

Was bedeutet denn Echtheit in der Architektur?

LAURA

Laura Kienbaum

Laura: Nun, ein Aspekt ist sicherlich, dass sie in ihrer Zeit verankert sein muss. Architektur sollte meiner Meinung nach nicht vorgeben, aus einer anderen Zeit zu stammen. Damit schließe ich nicht aus, dass beispielsweise hohe Decken sinnvoll sind, man kann auch in Neubauten hohe Decken einbauen. Es geht darum, die Qualitäten in der Architektur zu erkennen. Inwieweit kann sie die richtigen Antworten auf die Fragen der Zeit geben? Darin sehe ich Qualität.

Wie steht es nun um die architektonische Qualität, gibt es sie noch?

Veit: Also meiner Meinung nach hat die architektonische Qualität im Durchschnitt dramatisch nachgelassen. Das mag daran liegen, dass Architektur stark kommerzialisiert wurde, aber es liegt sicher auch an den baurechtlichen Bestimmungen, die Architekten massiv einschränken. Durch Energieeinsparverordnungen, Abstandsflächenregelungen oder Gestaltungsvorgaben sind die Möglichkeiten eines, ich sage mal, inspirierenden Bauens oft so eingeschränkt, dass dem Architekten nichts anderes mehr übrigbleibt, als wieder und wieder das gleiche Gebäude zu planen

Man hat also nur die Wahl: Entweder man baut inspirierend – oder man hält sich an Regeln?

Veit: Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube schon, dass es trotz Regeln und Kommerzialisierung möglich ist, inspirierend und qualitätsvoll zu bauen. Aber das ist aufwendig, zeitintensiv und kostet. Leider stehen da die Effizienz und Gewinnerwartungen zu oft im Vordergrund.

Und deshalb entsteht der Eindruck, dass alles gleich aussieht?

Aus einem Innenhof nach oben fotografiertes rundes Gebäude mit vielen Fenster und Blick in den Himmel

Veit: Klar, wenn ich einem engen Regelwerk folgen und auf Planungsressourcen achten muss, greife ich natürlich auf Wiederholungen zurück. Dann nehme ich vorkonfektionierte Lösungen, entwickle nicht mehr individuell, dann werden eben gefühlt immer die gleichen Gebäude entstehen. Das ist leider weit entfernt von kreativem Planen oder gar experimenteller Architektur.

Laura: Es fehlt oft auch der Mut. In der Architektur geht es heute vor allem um Flächeneffizienz und darum, eine gewisse Neutralität zu generieren, also dass man Gebäude schafft, die irgendwie für alle funktionieren und dabei noch relativ kostengünstig sind. Es fehlt zudem an Raffinesse, und Menschen werden von diesen Gebäuden kaum emotional angesprochen. Generell wird wenig über die Qualität der geschaffenen Räume nachgedacht, sondern mehr darüber, wie Flächen möglichst gewinnbringend übereinandergestapelt werden.

Was könnte da Abhilfe schaffen?

Laura: Das ist vielschichtig. Bestimmt müsste das Thema seitens der Gemeinden und Kommunen noch viel stärker als bisher priorisiert werden, es müsste mehr Gestaltungsbeiräte geben, die sich inhaltlich in Bauvorhaben einbringen, dass es am Ende eben nicht nur gesichtslose Flächenaneinanderreihung gibt. Auf der anderen Seite müssen Investoren offen dafür sein, gezielt qualitativ wertvolle Orte zu schaffen. Es muss klar sein, dass es dafür einen Markt gibt. Und dafür wiederum braucht es in der Regel gute Beispiele, von denen man lernen kann. Bei dieser „Beweisführung“ sind wieder die Architekturschaffenden gefragt.

Wenn es dafür einen Markt geben soll, muss es auch eine klare Definition von architektonischer Qualität geben. Wie sieht eure Definition aus?

Laura: Bei architektonischer Qualität geht es für mich immer um Raum. Man schafft neuen Raum, indem man Flächen und vor allem Volumen erzeugt. Man kreiert dadurch auch Zwischenräume zwischen Altem und dem Neugebauten.

Es geht dabei nicht um einzelne Oberflächen, sondern der Raum ist das Hauptaugenmerk. Dann geht es darum, inwieweit das Neugebaute mit dem Ort kommuniziert, an dem es steht, dieser Kontext ist für den Architekturschaffenden ein entscheidendes Qualitätskriterium. Ein weiteres Thema ist sicher das Programm, welche Funktion das Gebäude hat und wie sich das mit dem Kontext verzahnt. Wenn wir über Qualität von Architektur sprechen, steht natürlich auch die Wahrnehmung des Menschen im Mittelpunkt, wie wir uns durch und im Raum bewegen. Es geht um Formen, und nicht zuletzt geht es bei Qualität auch um die Materialität, um verwendete Ressourcen, um Farbe, Struktur, um den Einsatz von Licht und Glas. Was ich damit sagen will: Eine Allgemeingültigkeit für Qualität lässt sich damit nicht herleiten. Aber das heißt eben auch nicht, dass alles gleichförmig aussehen muss. Es geht bei Qualität der Architektur um weit mehr als nur um Flächeneffizienz, die keinem wehtun soll.

Veit: Es sollte wieder mehr über das Konzept, die Kernidee und Geschichte eines Gebäudes nachgedacht werden. Die spannendsten und bekanntesten Gebäude folgen meist konsequent einem übergeordneten Konzept. Das muss nicht heißen, schnörkelig oder verspielt zu werden. Das bedeutet vielmehr, sich mit lokalen Gegebenheiten auseinanderzusetzen und eine individuelle Antwort darauf zu geben. Dadurch entstehen individuelle und vielseitige Lösungen. Das ist doch wahnsinnig spannend und inspirierend.

Greta: Uns ging es darum, die Werte und Botschaften des Unternehmens auch in den Innenräumen erlebbar zu machen. Sämtliche Kernwände in den Geschossen wurden mit metallischen Oberflächen bespielt. Diese beschreibbaren und magnetischen Wände können die Mitarbeiter:innen für ihre tägliche Arbeit nutzen und ihre Ideen, Konzepte, Visionen und Erfolge werden für alle sichtbar. Zudem wird durch die Reflektion die unmittelbare Umgebung im Gebäude spürbar. Sonneneinstrahlung, in Kombination mit den verschiedenen Strukturen und Materialien, verändert den Raum konstant. Der Innenraum soll immer wieder überraschen, soll in gewisser Weise in Bewegung, kontrastreich sein, eben ein Stück weit wie Berlin.

Gibt es denn ein Beispiel, mit dem das bereits gut gelungen ist?

Laura: Ich liebe die Architektur von Peter Zumthor, die sich in ihrer Materialität sehr stark mit dem Kontext des jeweiligen Ortes auseinandersetzt und hochgradig atmosphärische Räume schafft. Auch David Chipperfield schafft das immer wieder mit seinen Bauten. Natürlich sind wir hier eher im hochpreisigen Bereich unterwegs. Wenn es etwas günstiger sein soll und mehr aus dem Programm heraus gedacht, gibt es auch Beispiele im Wohnungsbau, die interessant sind. Mir fällt ein Beispiel aus den Niederlanden ein, da ging es nicht um individuelle und kontextuell verzahnte Architektur, sondern um einen Siedlungskomplex mit Reihenhäusern, also um Gebäude mit vielen Wiederholungen. Der Städtebau war bereits definiert und eher wenig inspirierend, aber die Architekten des Atelier Kempe-Thill haben einen Weg gefunden, eine hohe Architekturqualität im Innenraum der Wohneinheiten zu schaffen, indem sie die räumliche Komplexität erhöht haben. Und das mit vorkonfektionierten oder zumindest seriell erstellten Architekturelementen.

Veit: Für mich ist das Donnybrook Quarter in London ein gutes Beispiel für individuellen Städtebau und Architektur. Diese Siedlung ist architektonisch sehr interessant, hoch verdichtet und sehr besonders in den geschaffenen Räumen. Sicher gefällt das nicht jedem und ist aus heutiger Sicht zu sehr versiegelt, und es bräuchte eine grüne Nachbesserung, aber ich halte es für qualitativ sehr gute und spannende Architektur.

Liebe Laura, lieber Veit, vielen Dank für das Gespräch!