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Hippocampus Kolumne 7

Was das mobile Arbeiten und neue Arbeitswelten mit unseren Büros macht, darüber wird aktuell viel diskutiert. Dabei geht es aber oftmals um Zahlen, Daten, Fakten. Wir bei combine denken, dass bei all dem auch der Mensch nicht vergessen werden sollte. Schließlich ist das Büro für die meisten der Ort, an dem der Großteil der Arbeits(lebens)zeit verbracht wird.

In einer regelmäßig im combine Magazin erscheinenden Gast-Kolumne stellt Jan Teunen den Menschen in den Mittelpunkt als inspirierende Gegenthese zur wirtschaftlichen Rationalität.

Der Erfolg von Unternehmen bemisst sich nicht allein nach ökonomischen Kriterien, sondern nach ihrem Vermögen, gesellschaftlichen und persönlichen Mehrwert zu erzeugen.

Dr. Christoph Quarch

Noch um die letzte Jahrtausendwende mussten die Human-Resources-Abteilungen von Top-Unternehmen nicht viel mehr tun, als neuen talentierten Führungskräften ein gutes Grundgehalt, attraktive Bonuszahlungen, ein Eckbüro, vielleicht einen Dienstwagen, auf jeden Fall aber die regelmäßige Kantinencurrywurst in Aussicht zu stellen. Der Nachwuchs kam wie von selbst. Erzählt man das Vertreter:innen der Generation, die sich heute nach einem Posten umschaut, erntet man nur ungläubige Blicke. Aus welcher Komödie ist das denn? Im Jahr 2022 stellen die berühmten Generationen Y und Z immer weniger Talente, die sich von rein materiellen Versprechungen locken lassen.

Zugegeben, die Welt ist krisenhafter geworden, und manches Wertemuster hat sich aufgrund dessen korrigiert. Aber hätte nicht der höhere Sinn einer Arbeit oder das, was heute als „Purpose“ die Runde macht, schon immer integraler Teil unternehmerischer Anziehungskraft sein müssen? Purpose ist zu einem Modewort geraten – so wie vor rund zwanzig Jahren auch mit dem Begriff „Sustainability“ geschehen. Beides ist so wichtig wie die Luft zum Atmen. Menschen, Firmen, Gesellschaften können nur überdauern, wenn sie sich nicht ihrer Grundlagen berauben (Sustainability) und ihr Streben mit einem Daseinszweck (Purpose) verknüpfen. Die aktuelle Debatte in der New-Work-Sphäre darüber zeigt, wohin wir geraten sind, wenn wir Selbstverständlichkeiten, die nichts weniger als die pure Existenz garantieren, neu entdecken müssen. Doch lieber spät als nie.

Dabei muss der höhere Daseinszweck eines Unternehmens nicht einmal mit der hehren Ambition verbunden sein, die Welt zu retten, oder zumindest ein wenig zur Weltenrettung beizutragen. Oft reicht es völlig aus, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von heute in Aussicht zu stellen, dass sie von ihrem Job erfüllt und vielleicht sogar beflügelt werden, weil sie ihn mit einem Sinn verknüpfen können, und dass sie eben nicht als austauschbare Kostenfaktoren vor ihren Bildschirmen sitzen und tumbe Tätigkeiten ausüben müssen, die rein gar nichts mit der Welt da draußen (Umwelt) oder mit der Welt da drinnen (Seelenwelt) zu tun haben. Purpose heißt, den Menschen zuzurufen: „Diese Arbeit hat etwas mit dir zu tun – und deshalb kann sie dich glücklich machen!“ Hier geht es also um Immaterialität, um Idealismus und nicht selten um die grundsätzliche Frage nach dem Sinn des Lebens.

Dieses Sinn- und Glücksversprechen müssen moderne Unternehmen von heute – genau wie das Nachhaltigkeitsversprechen – zum integralen Teil ihrer DNA und daher auch ihrer Kommunikation machen, wenn sie auf dem umkämpften Talentmarkt mitmischen wollen. Doch seien Sie sich sicher: Die jungen Talente der Generationen Y und Z sind nicht blöd. Im Gegenteil, sie sind sehr kritisch, und sie bemerken sofort, wenn diese Versprechen nicht eingehalten werden und sie unter Vorspielung falscher Tatsachen ins Unternehmen gelockt wurden. Da bei einem Veto einer neuen Mitarbeiterin nicht mal eben ein gefakter Purpose wegdiskutiert, geschweige denn ein authentischer Daseinszweck erschaffen werden kann, muss man davon ausgehen, dass das Talent schnell wieder weg ist und das Unternehmen zudem über die Social-Media-Kanäle in Verruf gerät. Längst hat sich zum Begriff des Green-Washing das Purpose-Washing gesellt.

Purpose-Washing hat nicht nur auf dem Jobmarkt desaströse Folgen, sondern auch unter den Konsument:innen. Eine repräsentative Umfrage der Vice Media Group von 2021 hat ergeben, dass fast zwei Drittel der Amerikaner:innen ihre Kaufentscheidungen von den Werten einer Marke abhängig machen. Doch nur 43 Prozent der Verbraucher:innen glauben, dass die Marken ihren öffentlich erklärten Zweck, den Purpose, wirklich erfüllen. Das wohl eindrücklichste Beispiel für das Aufscheinen einer tiefen Kluft zwischen Gerede und Realität stammt aus dem Jahr 2015, als im kanadischen Fernsehen ein Monsanto-Lobbyist behauptete, man könne den Unkraut-Killer Roundup – darin steckt das umstrittene Glyphosat, das unter starkem Verdacht steht, Krebs zu erzeugen – getrost trinken, ohne krank davon zu werden. Als der Moderator ihm anbietet, einen Schluck zu nehmen, wehrt der Lobbyist ab mit den Worten „Ich bin doch kein Idiot!“ – und verlässt das Studio.

Genauso verlassen enttäuschte Mitarbeiter:innen die Konzernzentrale, wenn sie merken, dass nicht nur ein Produkt, sondern der Wesenskern eines Unternehmens, nicht der ist, als der er ihnen vorher verkauft wurde. Das gilt nicht nur für neue Talente. Eine Kienbaum-Umfrage im deutschsprachigen Raum von 2020 förderte zutage, dass der Großteil ganzer Belegschaften – also das Stammpersonal – nicht in der Lage war, den Daseinszweck des eigenen Unternehmens zu benennen. Geht man davon aus, dass sich Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal die Sinnfrage stellen, könnte diese Bedeutungslücke Anlass sein, seinem Arbeitgeber den Rücken zu kehren und sich befriedigendere Aufgaben zu suchen.

Hippocampus Kolumne Combine-consulting_Jan_Teunen

Jan Teunen ist Co-Autor der Bücher „Officina Humana“ und „Wo die Seele singt“ und Geschäftsführer der Teunen Konzepte GmbH. Als Cultural Capital Producer erarbeitet er für Unternehmen Konzepte, die dazu beitragen sollen, eine nachhaltige Unternehmenskultur zu entwickeln. Laut Teunen erzeugt die Dominanz der rationalen und einseitig auf die Ökonomie zugeschnittenen Arbeitswelt große Reibungsverluste, die die Entfaltung von Kultur behindern. Sein Bestreben ist es, diese Reibung zu reduzieren und damit die Unternehmenskultur und Unternehmen zukunftsfähig zu machen.

Foto Jan Teunen: Hans Schlegel

Weitere Fotos: Pexels, Unsplash

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